Kommentar

DAV-Aktionismus: Chaos statt Frieden

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Berlin -

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) schlägt im Umgang mit den Kassen eine härtere Gangart ein. Erste Verträge wurden gekündigt, und das ist richtig so. Allerdings sind die Leidtragenden derzeit die Apotheken. Denn wichtige Fragen wurden im Vorfeld offenbar nicht geklärt. Das muss sich ändern.

Kurz vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) hatte der DAV im September die für Rezepturen relevanten Anlagen der Hilfstaxe gekündigt. Hintergrund waren die gestiegenen Kosten, für die die Kassen keinen Ausgleich zahlen wollten. „Wir setzen damit ein Zeichen, dass wir die permanente Blockade der Krankenkassen bei zwingend erforderlichen Preisanhebungen nicht weiter hinnehmen“, so der DAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann. „Wenn die Apotheken dringende und wichtige Rezepturen für Patientinnen und Patienten herstellen, dann müssen sie dafür auch angemessen bezahlt werden.“

Der Schritt war absolut richtig – und auch überfällig. Seit Jahren werden an der Basis zunehmend Stimmen laut, die Lieferverträge samt und sonders zu kündigen und den Kassen dadurch einmal zu zeigen, wie sehr sie mit ihrer Missgunst und mit ihrem böswilligen Handeln die Versorgung torpedieren und wie sehr sie eigentlich auf die Apotheken und ihren Einsatz angewiesen sind. Dass die Preise sich dadurch verfünffacht haben, ist ein angenehmer Nebeneffekt, der die Gegenseite – man muss es leider so nennen – zusätzlich unter Druck setzt und gleichzeitig auch noch den Mehraufwand der Apotheken berücksichtigt.

Erste Testballons

So gesehen war die Hilfstaxe ein sehr geeigneter Testballon. Bei einer außerordentlichen Mitgliedversammlung wurde der Ausstieg gemeinsam beschlossen. Und vor der Umstellung wurden den Apotheken auch viele Informationen an die Hand gegeben, wie die Preisbildung ab dem 1. Januar funktionieren würde.

Das Einzige, woran offenbar niemand gedacht hatte, war die Reaktion der Kassen. Denn die stellten sich nun ihrerseits im Zusammenhang mit den anfallenden Anbrüche quer: Nur die tatsächlich verarbeitete Menge dürfe jeweils abgerechnet werden, teilte der GKV-Spitzenverband dem DAV in den letzten Verhandlungsgesprächen mit.

Und so hing über den Apotheken plötzlich wieder die massenhafte Retaxation als Damoklesschwert. Einfach per Vorkasse abzurechnen, sei wegen des Kontrahierungszwangs nicht möglich, teilte man Apotheken mit, die sich auf diese Weise aus der Affäre ziehen wollten.

Aber auch eine Abrechnung nach dem alten Modell sei unzulässig, da dies als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zu werten sei. Auch für eine Abrechnung analog zu Sterilrezepturen – die erste Kasse zahlt die angebrochene Packung komplett, die anderen dann nichts mehr – gibt es keine rechtliche Grundlage. Und wer die Verwürfe trotzdem weiter nutzt, weil es zu schade wäre, sie zu entsorgen, und dabei immer wieder den kompletten Betrag abrechnet, der macht sich des Abrechnungsbetrugs schuldig.

Mit anderen Worten: Wie die Apotheken es machen, sie machen es verkehrt.

„Konflikte sind nicht bequem“

Von den Verbänden gibt es dazu nur ein hilfloses Achselzucken. Während der Hessische Apothekerverband (HAV) seinen Mitgliedern zumindest unkonkrete Unterstützung bei allen Retaxationen in Aussicht stellte, appellierte der Berliner Apotheker-Verein (BAV) an die Apotheken, die Sache im gemeinsamen Interesse durchzustehen und notfalls auch Opfer zu bringen: „Bitte machen Sie sich klar: Der DAV befindet sich in einer Konfliktsituation, um eine angemessene Vergütung für die Leistungen der Apotheke zu erreichen. Konflikte sind nicht bequem.“ Da Retaxationen wahrscheinlich seien, sollten Apotheken, die häufig Rezepturen zu Lasten der GKV abrechnen, Rücklagen dafür schaffen. Das Handeln des DAV in dieser Sache sei nicht nur korrekt, sondern sogar notwendig.

Dabei hätte man sich im Vorfeld eigentlich ausmalen können, dass die Kassen diesen letzten Hebel nutzen würden. Man hätte eine Strategie entwickeln müssen, sich etwa ein Gutachten schreiben lassen oder eine Feststellungsklage einreichen können. Immerhin gibt es dafür Fachabteilungen. Und man hätte seitens der Verbände Rückstellungen bilden können – wenn diese ihr Geld nicht schon für Abda und Gedisa brauchen würden.

Mit den Grippeimpfungen wurde nun die nächste Vereinbarung gekündigt: Mit Wirkung zum 31. März wurde diese Leistung aus dem Vertrag zur Durchführung und Abrechnung von Schutzimpfungen durch Apotheken gestrichen. „Ursächlich ist das nicht auskömmliche Impfdienstleistungshonorar für eine nur vom Apotheker durchzuführende Leistung“, teilt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) mit.

Plötzlicher U-Turn

Abgesehen davon, dass der Vertrag vor noch gar nicht allzu langer Zeit vom DAV geschlossen wurde – auch hier sorgt der plötzliche U-Turn für Frust und Chaos. Noch am Freitag hatte beispielsweise der Sächsische Apothekerverband (SAV) seine Mitglieder aufgefordert, sich auf die nächste Runde ab Herbst vorzubereiten: „In der kommenden Saison finden alle Grippeschutzimpfungen in den Apotheken auf Basis des Vertrages zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband statt.“

So richtig die harte Linie ist: Ein solches Chaos müssen die Verbände den Apotheken künftig ersparen. Bevor man eine Allianz beendet und in einen Konflikt zieht, sollte man sich über die Folgen im Klaren sein und für die besonders neuralgischen Punkte eine Lösung finden, würden Scheidungsanwälte und Strategieberater unisono raten.

Und auch bei neuen Verträgen ist noch Luft nach oben: Friedenspflichten wie jetzt beim E-Rezept helfen nur dann bei der täglichen Arbeit, wenn man sich auf sie einstellen kann. Aktuell werden zahlreiche unterschiedliche Vereinbarungen mit einzelnen Kassen verkündet, mit jeweils verschiedenen Inhalten und Laufzeiten. Wer da nicht den Überblick behält, der kann auch nicht darauf vertrauen. Die Apotheken haben weder schlechte Verträge verdient noch schlechte Vertragskündigungen.

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